Vergesellschaftung bei (adulten) Ratten
Es gibt im Netz ein Paar empfehlenswerte Seiten, die erprobte Methoden zur Vergesellschaftung von Ratten gut beschreiben. Gerne verlinke ich an dieser Stelle zu diesen:
Verein der Rattenliebhaber und -halter in Deutschland e.V.
Nager Info
Rattenzauber
Seit 2010 sammle ich meine bisher positivsten Erfahrungen mit der sogenannten Engraummethode. Da diese Methode zu zahlreichen Erfolgen geführt hat, wird sie seit dem von mir präferiert.
Vorweg sind folgende Punkte noch erwähnenswert
Unkastrierte, adulte Böcke zu vergesellschaften ist komplizierter und birgt größere Risiken des Scheiterns, da sich die Tiere i.d.R. schwerer verletzen können. Eine Begründung dafür liegt darin, dass sie bei der Begegnung mit fremden Artgenossen mehr Dominanz zeigen und ihren Rang sowie ihr Zuhause aggressiver verteidigen als weibliche oder kastrierte Tiere.
Meine Empfehlung ist, männliche Tiere rechtzeitig kastrieren zu lassen, um ihnen:
einerseits ein Zusammenleben in einem gemischten Rudel ohne die Konsequenzen der Vermehrung anbieten zu können und andererseits die Chancen zu vergrößern, in einem anderen Rudel schnell unterzukommen.
Im Idealfall sind alle zu vergesellschaftenden Ratten weitestgehend gesund und fit. Die Realität zeigt aber, oft sind auch z.B. ältere Tiere mit typischen Altersleiden zu vergesellschaften. Da eine Vergesellschaftung zu einer Stresssituation führt, dürfen diese Einschränkungen auch dann nicht lebensbedrohlich werden. Aus diesem Grund muss die Vergesellschaftung sehr genau beobachtet werden und Möglichkeiten zum schnellen Eingreifen vorhanden sein. Ich plädiere im Zweifelsfall für eine Zusammenführung unter strenger Aufsicht, damit keiner in Einsamkeit verkümmern muss.
Die Vorbereitung
- wenn möglich, in einem neutralen Zimmer
- eine neutrale Box am besten mit einem Gitterelement oben (muss für den Halter leicht zu öffnen sein)
- eine nächst größere Box bzw. kleiner und flacher Käfig mit einer großen Tür oder einem Deckel, welcher von oben zu öffnen ist und das Eingreifen ermöglicht
- eine alte Decke, um den Boden weich auszulegen
- Gurkenscheiben oder Salatblätter
- eine Zeitschrift/ dicke Zeitung o.ä. für einen möglichen Eingriff, um Streitparteien zu trennen
- eine schwere Futterschale für Wasser
- Freizeit für die nächste Zeit, mehrere Stunden oder besser zwei Tage 😉
Schritt 1
Man benötigt: Eine gewöhnliche Transportbox mit geringen Maßen und am besten von oben zu öffnen. Zum Beispiel von Nobby (Box 1), leider keine gute Sicht ins Innere (am besten Deckel abnehmen und Gitterelement auflegen z.B. Deckel vom Ferplast-Käfig). Oder Box 2 mit besserer Sicht. Wichtig ist, dass die Boxen beengte Situationen herstellen und die Ratten zur Nähe zwingen.
Wer hier keine extra Box kaufen möchte, dem kann ich gerne welche auf Anfrage leihen, sofern die Tiere aus dem Tierschutz sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob von mir, einem Tierheim oder aus dem Labor.
Nun geht es los: Alle Tiere zur gleichen Zeit in die leere, nur mit der Decke ausgelegte Box setzen, Gurkenscheiben rein, Deckel zu und ausbruchssicher beschweren.
Nach ein- bis zwei Stunden kann das übliche Futter von oben eingestreut werden. Die nun folgende Aufsicht ist wichtig, für Tiere mit Handicap vielleicht lebensnotwendig.Im Streitfall ist ein Eingriff von oben ratsam, da dieser am einfachsten funktioniert.
Mögliche Reaktionen der Ratten
Folgende Fälle können unterschieden werden:
- aufplustern/ das Fell sträuben und aufeinander losgehen ohne Beißen
- wie unter Nr.1 aber mit Beißen
- hektisches aneinander Schnüffeln und dann der Versuch eines oder mehrerer Tiere, panisch aus der Box rauszuklettern, um anschließend erschöpft und apathisch in einer Ecke kauern
- wie unter Nr. 3, aber mit Rangeleien
- wie unter Nr. 3, aber nach einer kurzen Zeit mit Grüppchenbildung und getrennt voneinander Liegen
- wie unter Nr. 3, aber vereinzelte Tiere erstarren in einer Drohhaltung bzw. “ringen“ ständig miteinander
- wie unter Nr. 3, aber ein oder mehrere Tiere geben sehr laute Warnlaute/ Angstlaute und stehen sich nähernden, noch fremden Ratten mit geöffnetem Maul drohend oder eingeschüchtert gegenüber und lassen keinen in ihre unmittelbare Nähe und greifen evtl. auch bekannte Rudelmitglieder an
- aneinander positiv interessierte Tiere und nach kurzer Zeit gemeinsam liegender Haufen
Empfohlene Eingriffe
- Fall 1: nicht eingreifen und die Rangordnung (bei Ratten sehr hierarchisch) austragen lassen
- Fall 2: entscheidend ist, wohin gebissen wird und wie intensiv die Bisse sind
Hinweis: Tiefe Bisswunden oder Versuche den unteren Körperbereich, z.B. den Bauchraum, zu attackieren sollten sofort gestoppt werden. Mit einer DIN A4-großen Zeitschrift von obenzwischen die Tiere gehen und dann beobachten, wie sie sich danach verhalten. Geht es nachdem Eingriff sofort und in gleicher oder heftigerer Intensität weiter und es sind blutende Wunden z.B. in der Leistengegend deutlich zu erkennen, rate ich von weiteren Versuchen ab.
- Fall 3: bei panischen Reaktion können beruhigende Maßnahmen zur Ablenkung eingeleitet werden.
Tipp: Der Wassernapf kann statt mit Wasser mit leckerem Sojafruchtjoghurt angeboten werden. Beabsichtigt wird hier die Ausbildung eines intensiven Geruchs, der die noch unterschiedlichen Rudelgerüche überlagert und die Parteien somit etwas beruhigt. Ein weiterer Vorteil ist, dass die meisten Ratten solchen Leckereien nicht widerstehen können und gemeinsam fressen. In solch einer beengten und unbekannten Situation verbindet das gemeinsame Fressen und trägt zur Beruhigung bei.
- Fall 4: relativ harmlose Rangeleien sind, wenn sie nur kurz quieken und dann immer wieder von einander ablassen. Auch eine kurze Knäuelbildung sollte ausgehalten werden. Kleinere Bisswunden auf der Oberseite des Körpers sind in den ersten Stunde des Aufeinandertreffens normal und zu akzeptieren.
Info: Ratten haben eine sehr dünne Haut. Sie kann bei solchen Attacken schnell einreißen. Oberflächliche Hautverletzungen heilen bei Ratten sehr schnell und dürften in den nächsten Tagen wieder verschwunden sein. Wenn die Situation eskaliert, die Wunden tiefer werden und sich wie im Fall 3 verhält, dann ist ein Abbruch empfohlen.
- Fall 5: Grüppchenbildungen sollten durch den Engraum weitestgehend ausgeschlossen sein. Wenn es den aufeinander treffenden Tieren dennoch möglich ist, sich zu separieren, empfehle ich eine kleinere Box zu verwenden, um die Tiere enger zusammen zu zwingen und die Ausweichmöglichkeiten zu nehmen. Eine andere Option, der Gruppenbildung entgegen zu wirken, hat man mit dem Angebot von leckerem Sojafruchtjoghurt o.ä. (Hauptsache lecker), ähnlich wie im Fall 3.
- Fall 6: wenn eine ständige Drohsituation bei einem Streitpaar vorherrscht, empfehle ich diese Situation auszuhalten. So lange es zu keiner Eskalation kommt, wird sich diese Spannung mit etwas Geduld beruhigen. Die Tiere brauchen ihre Zeit und müssen ihren Rang in der neu zu bildenden Gruppe klären. Auch hier können ablenkende Maßnahmen wie im Fall 3 eingeleitet werden.
- Fall 7: es kommt bei einigen Tieren vor, dass sie heftig auf neue Rudelmitglieder reagieren und sich wenig mit Sozialverhalten unter Artgenossen auskennen und mit großer Ablehnung oder Angst begegnen. Wenn diese Droh- oder Angstlaute länger nicht aufhören, empfehle ich auf eine andere Umgebung auszuweichen.
Tipp: das Einbinden der eigenen Person kann hier besänftigen und die Angst nehmen. Man kann dann auf einen neutralen und eng abgegrenzten Raum ausweichen, z.B. in einen aufgestellten und ausreichend hohen Welpenauslauf in einem neutralen Zimmer. So können die irritierten Tiere sich am vertrauten Menschen orientieren und beruhigen. Dafür ist es wichtig, sich wirklich Zeit zu nehmen und selber auch nicht unter Druck zu stehen. Die Tiere können gemeinsam auf dem Menschen klettern und sich z.B. unter dem Pulli begegnen und Vertrauen schaffen.
- Fall 8: bei eindeutiger und so positiver Reaktion kann jeweils der nächste Schritt eingeleitet werden, um die Teambildung auf die Probe zu stellen.
Schritt 2
Käfigempfehlung: Der Ferplast Criceti ist aufgrund dem von oben zu öffnenden Deckel gut geeignet, schnell und einfach in eine Streitszene einzugreifen.
Mit seinen sehr geringen Maßen ist er beengt genug, um im zweiten Schritt einer Vergesellschaftung noch kein aneinander Nachjagen oder hochklettern zu ermöglichen.
Nun geht es los:
- ein Umsetzen der Tiere in die nächst größere Box läuft wie in dem ersten Schritt ab. Wichtig ist, dass die gleiche Decke ungewaschen als Unterlage verwendet wird. Auf die Decke wurde gemeinsam uriniert und sie hat bereits den verbindenden Geruch. Köttel und Futterreste sollten entfernt sein und können auch zwischendurch immer wieder beseitigt werden.
- zu Beginn darf kein neues Inventar dazukommen. Frische Gurkenscheiben oder der Wassernapf, zur Abwechslung auch Wasser mit einigen Maiskörnern, kann angeboten werden.
- Deckel zu und ausbruchssicher beschweren
- die nun folgende Aufsicht ist weiterhin wichtig, um zu beurteilen, wie sich die Tiere bei einer größeren Lauffläche zu einander verhalten
Möglicher Ablauf
- der vergrößerte Raum eröffnet den Tieren wieder die Möglichkeit, einander nachzujagen und es kommt vereinzelt zu Beißereien
- größere Distanzen entstehen, bestehende Gruppen liegen wieder in alter Konstellation zusammen und eine Vermischung ist nur vereinzelt zu beobachten
- ein kuschelnder Rattenhaufen, evtl. mit noch einzelnen Ausbruchsversuchen
Empfohlene Eingriffe
- Fall 1: wenn keine Beruhigung einkehrt, sollten die Ratten zurück in die kleinere Box gesetzt werden
- Fall 2: durch Anreize, z. B. das Reinstellen von einem möglichst neuem Haus mit neutralem Geruch, werden die Ratten motiviert, sich wieder näher zu kommen und ein Plätzchen im Haus zu ergattern. Dabei sind sie wieder gezwungen, eng beinander zu liegen. Das nun gemeinsame Kuscheln und Teilen eines Schlafplatzes bereitet sie auf das neue Rudelleben im gemeinsamen Käfig vor.
- Fall 3: bei eindeutiger und so positiver Entwicklung kann wie bei Fall 2 ein neues Inventar in den Käfig gestellt werden, um die Verbindung auf die Probe zu stellen.
Schritt 3
- wenn möglich, die Hauptvoliere in zwei Bereiche teilen, um den Raum zunächst noch so beengt wie es geht zu lassen. Die Einrichtung sollte zu Beginn so minimal wie möglich sein
- nachdem dieselbe Decke ungewaschen mit in der Voliere ausgelegt und auch das Häuschen mit übertragen wurde, können die Tiere umgesetzt werden
- wenn die nun folgende Aufsicht immer weiter überflüssig erscheint und die Tiere weitestgehend harmonieren, kann schrittweise die Voliere erweitert und ausgestattet werden. Als Richtlinie kann täglich weiter ein neues Inventar folgen.